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AutorenbildSarina Kriechbaum

Hund müsste man sein! - Oder vielleicht doch nicht?

"So ein Leben als Hund möchte ich auch haben."

"Bei mir möchte ich auch Hund sein!"

Vielleicht hast du solche oder ähnliche Aussagen schon mal gehört oder sogar selbst gemacht? Aber stimmt das? Haben unsere Familienhunde heutzutage wirklich so ein tolles Leben?

Welpe und kleine Katze schlafen auf einer weißen Decke

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns anschauen, wie Hunde früher gelebt haben. Ich nehme mal mich selbst als Beispiel. Ich bin jetzt 52 Jahre alt und kann mich noch gut an die Hunde meiner Kindheit erinnern. Da war Mustafa, der Pudel meiner Omi, und Troll, unser Familien-Boxer. Zwei Rüden, selbstverständlich unkastriert. Das Thema wurde nicht mal diskutiert in unserer Familie.


Wie sah der Tagesablauf dieser beiden Hunde aus? Meine Omi hatte ein Geschäft in Villach, wo sie täglich von 7-12 und 14-18 Uhr war. Sie ging in der Früh zu Fuß hin, in der Mittagspause zu Fuß nach Hause, dann wieder zu Fuß hin und am Abend zu Fuß nach Hause. Montag bis Freitag, am Samstag hatte sie nur halbtags geöffnet. Jede Strecke dauerte ca. 30 Minuten. Ihr Pudel immer an ihrer Seite. An der Leine? Fehlanzeige. Im Geschäft hat er dann entweder geschlafen oder er ist vor der Tür auf den Stufen gesessen und hat die Straße und die vorbeigehenden Leute beobachtet. An den Wochenenden, wenn ich bei meiner Omi war, gingen wir in den Park oder auf die Alm. Natürlich mit Mustafa und natürlich im Freilauf.


Troll, unser Boxer, lebte mit uns in Villach in einer Wohnung - zumindest die Hälfte des Jahres. Die andere Hälfte lebten wir am Faaker See, weil wir da ein Restaurant gepachtet hatten. Das Restaurant gehörte zu einem riesigen Strandbad. Gewohnt haben mir in den Sommermonaten in einer Hütte mit einem kleinen Garten gleich neben dem Restaurant. Troll hielt sich unter tags zwischen 11 und 19 Uhr im eingezäunten Garten auf, weil wir alle arbeiteten. Da hatte er seine Ruhe, niemand konnte reinsehen und er auch nicht raussehen. Er lag auf der Terrasse im Schatten und schlief. In der Früh und am Abend war er bei uns im Restaurant. Er kannte jeden Lieferanten, bekam vom Bäcker jeden Tag eine Semmel und am Abend durfte er die gesamte Liegewiese (das waren mindestens 8000m2 - wahrscheinlich mehr...) alleine abgehen, alles beschnüffeln, Essensreste sammeln, die die Badegäste liegen ließen, ins Wasser gehen (schwimmen ging er nicht) und manchmal machte er einen Abstecher zum nächst gelegenen Campingplatz, wo er auch noch hin und wieder ein Bratwürstchen klaute. Er kam immer erst nach Hause, wenn es dunkel wurde. Dann legte er sich ins Lokal und wartetet bis wir um 22 Uhr (sehr oft aber auch später) Feierabend machten.

Im Winter lebten wir wie gesagt in einer Wohnung. Meine Mama war den ganzen Tag zu Hause, ich war halbtags in der Schule. In der Früh und mittags gab es einen kurzen Spaziergang, am Nachmittag gingen wir meistens 1 Stunde in den Wald. An den Wochenenden waren wir oft gemeinsam mit Omi, Mustafa und anderen Familienmitgliedern auf der Alm. Auch wenn ich an Troll denke, kann ich mich nicht erinnern, dass er oft an der Leine war. Meistens konnte er sich frei bewegen.


Veränderungen des Lebensstils und Auswirkungen auf die Hundegesundheit

Ich glaube, ich kann behaupten, dass sich der Lebensstil von Hunden in den letzten 50 Jahren stark verändert hat, was sich sowohl positiv als auch negativ auf ihre Gesundheit ausgewirkt hat. Hier sind 3 Unterschiede:

Früher:

  • Hunde lebten meist draußen und hatten viel Bewegung, indem sie arbeiteten (z.B. Hüten, Jagen) oder frei herumliefen.

  • Sie ernährten sich von hausgemachtem Futter, das oft aus Resten vom Tisch oder rohem Fleisch bestand.

  • Die soziale Interaktion beschränkte sich meist auf die Familie und andere Hunde in der Nachbarschaft.

Heute:

  • Hunde leben meist drinnen und haben oft weniger Bewegung.

  • Sie ernähren sich von kommerziellem Hundefutter, das zwar nahrhaft, aber auch kalorienreich und reich an Zusatzstoffen sein kann.

  • Die soziale Interaktion umfasst oft Spieltermine mit anderen Hunden, Hundeparks und den Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen.


Gerade der letzte Punkt - soziale Interaktion - ist besonders auffällig, denn wie Hunde mit uns interagieren (müssen), hat sich extrem verändert, finde ich. So gab es in meiner Kindheit zum Beispiel keinen Hundesport. Heute werden viele Hunde dazu verwendet, was sich natürlich auf ihre körperliche Gesundheit auswirkt. Genauso wenig gab es Hundewiesen, da Hunde in Parks sowieso frei laufen durften. Auch haben wir den Geburtstag unserer Hunde nicht gefeiert, keiner musste je in einer Box bleiben oder ein "Halti" tragen. Das gab es alles gar nicht. Halsband, Leine, Hundekorb und Futterschüssel. Das war die Ausstattung. Die Leine trugen wir meistens in der Hand, während der Hund frei lief. Einen Hund zu haben, war damals eher unaufgeregt. Unsere Hunde waren Teil der Familie, durften aber trotzdem Hundedinge machen. Hundeschulen gab es. Die wurden damals "Abrichteplätze" genannt. Das war genauso schlimm wie es sich anhört. Mustafa hat so einen Abrichteplatz überhaupt nie kennen gelernt, mit Troll war meine Mama in einer Boxerschule, wo von "abrichten" nicht so viel gehalten wurde (Es gab auch schon damals ein paar Trainer, die anders dachten.).


Auswirkungen auf die Gesundheit der Hunde

Wie haben sich die Veränderungen des Lebensstils auf die Gesundheit der Hunde ausgewirkt?

  • Positiv:

  • Die Lebenserwartung von Hunden ist gestiegen.

  • Hunde leiden seltener an Infektionskrankheiten.

  • Die Gesundheitsprobleme durch Arbeit und Jagd sind zurückgegangen.

  • Negativ:

  • Zunahme von Fettleibigkeit, Diabetes und Gelenkproblemen durch Bewegungsmangel und falsche Ernährung.

  • Zunahme von Allergien durch Umweltveränderungen, kommerzielles Hundefutter und Chemikalien.

  • Verhaltensstörungen wie Angst und Aggression durch Stress und falsche Sozialisierung.


Hunde leben im Goldenen Käfig

Einen Punkt möchte ich noch besonders hervorheben. Meiner Meinung nach hat sich im Umgang mit unseren Hunden besonders verändert, dass wir unsere Familienhunde viel mehr einschränken als früher und sie viel mehr kontrollieren. Gerade Verhaltensstörungen, Stress, Aggression und Angst können besonders darauf zurückzuführen sein. Das Bedürfnis nach Kontrolle ist ein Grundbedürfnis, sowohl für uns Menschen als auch für unsere Hunde. Damit ist gemeint, dass wir über unser eigenes Leben Kontrolle haben wollen, dass wir selbst Entscheidungen treffen möchten. So geht es auch den Hunden. Wir glauben, wir bieten unseren Hunden alles, aber in Wahrheit leben sie in einem Goldenen Käfig.


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